Heute morgen. In der Bäckerei an der Ecke.

Vor mir steht ein Vater mit seinen zwei kleinen Töchtern.
Die Ältere vielleicht 8 Jahre alt, die Kleine ein paar Jahre jünger.
Ihre Augen scannen die fast leere Auslage. Dann das Zittern der Unterlippe.
Und beim Hinausgehen, am Fahrradständer, bricht es aus ihr heraus:
„Ich wollte ein Milchbrötchen!“ Sie schreit, fuchtelt mit den Händen, schmeißt den Fahrradhelm auf den Boden und weint.

Wie beeindruckend nah kleine Menschen noch an ihrer Wahrheit sind.
Kein inneres Management. Kein Abwägen. Kein Anpassen.
Nur ein Wunsch, eine Enttäuschung – und alle Gefühle dazu.

Und ich? Ich stehe daneben. Erwachsen. Routiniert.
Hörnchen ist auch okay. Rationalisiert. Abgehakt. Weitergemacht.

Aber hätten sich nicht auch viele Erwachsen gern hingeschmissen? Auf den kalten Bäckereiboden? Jetzt, vor ein paar Tage oder Monaten? Getrommelt, geschrien, geweint – weil das Leben manchmal einfach zu viel ist. Zu viele Anforderungen. Zu viele Abschiede. Zu viel Druck, zu viel Angst, zu viel Funktionieren. Zu viel Welt.

Nur haben wir gelernt:
Man macht das nicht. Man kontrolliert sich. Man drückt weg, was zu viel ist. Stark sein. Man sammelt Schicht um Schicht an Selbstkontrolle – bis das eigene Ich kaum noch zu spüren ist.

Viele von uns tun genau das, Tag für Tag. Sie nehmen das, was da ist. Nicht, weil es sie erfüllt – sondern weil sie glauben, keine Wahl zu haben. Sie richten sich nach äußeren Erwartungen, nicht nach innerem Empfinden. Sie tragen ihre Überforderung wie einen unsichtbaren Rucksack – bis sie ihr eigenes Bedürfnis nach einem "Milchbrötchen" kaum noch wahrnehmen.

Ich nenne das: Hyperkontext. Ein Zustand, in dem wir nicht mehr wir selbst sind – sondern nur noch unsere Schichten aus Erwartungen, Ängsten, Anforderungen. Wirtschaftslage, Geopolitik, Ethik, Emotionen, Fähigkeiten, Träume, Realitäten.

Im Atelier de Courage arbeite ich genau hier. An der Stelle, wo die eigene Wahrheit unter Schichten verschwunden ist. Wo Mut nicht bedeutet, perfekt zu funktionieren – sondern sich selbst wieder zuzuhören. Wo wir die Kraft finden, nicht nur zu reagieren – sondern aus innerer Klarheit heraus zu wählen.

Vielleicht brauchen wir nicht weniger Wünsche. „Sondern mehr Mut, sie ernst zu nehmen und zu zeigen, dass wir Milchbrötchen wollen. Jeden Tag.“

Die Welt braucht Menschen mit innerer Klarheit. Menschen, die ihre Wahrheit nicht wegorganisieren. Menschen, die sich spüren – und dadurch anderen Orientierung schenken.

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Rote Golfs.

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Dienstag um fünf war ich wieder im Einsatz.