Winter

Heute war ich im Moor spazieren. Ich ging aufrecht und von kühler Luft durchströmt durch den Birkenwald, die Torfmoore, an gefrorenen Tümpeln vorbei über die Winterwiesen, deren Gräser vom Frost überzogen waren.

Der Atem drang tief in mich ein, machte sich breit in meinem ganzen Körper. Dehnte sich in Bauch, Brust und Schultern. Machte meinen Nacken lang und ließ die Augen weiter aufgehen.

Die Natur legt sich zur Ruhe.
Nichts muss wachsen, nicht sprießen, nichts befruchten.
Alles wird still. Wiegt sich im leichten Wind und darf vergehen.
Sich wandeln, übergehen in etwas anderes.
Ein Stück sterben. Auf eine gute Art.

Ich mag es, wenn die Blätter dunkel werden. Wenn die Vielfalt den Sommer übertrifft. Als würde das Leben in jedem Blatt seine eigenen Zeichen setzen. Seine eigene Geschichte erzählen. Jeder Baum, jeder Strauch ruht sich aus von der Anstrengung des Wachsens, Gedeihens, Vervielfältigens.

Die kleinen Tümpel erinnerten mich an das schöne Eislaufen im Moor mit den Großeltern, als unsere Kinder sehr klein waren. Dieses vorsichtige Glitschen und Tasten. Das behutsame Vertrauen auf alles, was im Sommer dazugekommen war. Kleine Menschen, die vom Stehen zum Laufen zum Eislaufen fanden - und die auch im Winter die wilden Orte suchen.

Alles andere schläft ein.
Atmet langsam und tief.
Muss nichts entdecken, nichts leisten, nichts erneuern.
In der Gewissheit, dass die Zeit dafür wiederkommen wird.
Wenn alles wieder anspringt und aus Fragen Antworten formt.

Wenn ich an meine eigene Kindheit denke, an die Winter auf unserem Stauer, dem Ententeich, war es, als würde man den Moment des Stillstands feiern, ohne es zu wissen. Das Eis, die Kälte, der Atemnebel, der die Freunde früher trifft als die Hand, die man sich reicht, um aufs Eis zu steigen.

Der Winter ist Stillstand.
Ruhe, Innehalten, die Nerven loslassen.
Das Wollen und Müssen verlassen, um zu Sein.
Wie der Baum, der im Frost die letzten Blätter festhält und ganz still erlebt, wie auch sie nach unten segeln.
Den Boden nähren und vergehen.

Der Winter ist langsam wie gedimmtes Licht.
Wenig Worte.
Die Anspannung legt sich.
Die Äste sind müde und sinken ein Stück tiefer. Machen sich lang und biegsam.
Atmen in die Erde, nicht in den Himmel.
Alles kommt zur Ruhe.

Eine Freundin sagte letzte Woche, sie vermisse die alten Menschen, die sich einfach mal auf eine Bank setzen.
Sitzen und gucken.

Der Winter ist ein Würdigen der sprießenden, gierigen Jahreszeiten.
Des Treibens und Wollens.
Des Ausprobierens, Ausschöpfens, Ausschmückens.
Des Mehr.

Der Winter ist das Weniger.

Weniger Machen, weniger Müssen, weniger Wollen.
Schauen, was gerade wichtig ist - und für alles andere den Aufwand reduzieren.
Die Energie sparen. Atmen.
Betrachen, dass so viel Liebe, Leben, Wachstum da war - und gleichzeitig Spannung, Sorge, Anstrengung.

Gegen Stürme, Unwetter, gegen zu viel und zu wenig.
Mit dem Strom und gegen ihn.
Aufgeheizt und unterkühlt.
Ungesund und gesund.

Nun ist die Zeit, innezuhalten.
Zu atmen und still sterben zu lassen, was Erneuerung braucht, damit es wieder wachsen kann.

Langsamer.
Krankheit und Erneuerung. Liebe und Freude.
Angst und Sorge. Nähe und Distanz.
Zumutung und Geschenk.

Die Ruhe füllt uns aus.
Wir atmen. Ein und Aus.
Bis das Frühjahr das Wollen wieder hervorholt.

Ich glaub, ich probiere das mal aus.
Und wo sind eigentlich meine Schlittschuhe?

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Die Kinder werden erwachsener, so do I.

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Hupen, nicht bremsen.